Christian Köppel findet auch im Fußball Nächstenliebe

SCHWEINFURT • Er war Publikumsliebling beim TSV 1860 München, ehe man ihn bei den Löwen, für die er seit der E-Jugend gespielt hatte, nach dem Drittliga-Aufstieg aussortierte. Fußball-Regionalligist FC 05 Schweinfurt nutzte die Gunst die Stunde und verpflichtete Christian Köppel. Für seinen neuen Verein absolvierte der Linksverteidiger bis dato elf Punktspieleinsätze, mehr verhinderte eine Muskelverletzung. Der 25-Jährige hat in seiner Zeit in München Mohamad Awata, der damals als aus Syrien gekommener Flüchtling probeweise mittrainierte, kennen- und schätzen gelernt. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen dem Christen und dem Moslem. Heute sind beide beim FC 05 Teamkollegen. Köppel ist sehr religiös, baut auf Gott und christliche Werte. Vor Weihnachten hat er mit dieser Redaktion darüber, aber auch über seine Hoffnung für die Menschheit, gesprochen.

Frage: Feierst du Weihnachten klassisch unter dem Baum im Kreis der Familie?
Christian Köppel:
 Nein, ich bin an Weihnachten zum ersten Mal nicht zu Hause, sondern mit meiner Freundin in Urlaub in Australien. Durch die lange Winterpause in der Regionalliga war das vielleicht die einzige Möglichkeit in meinem Berufsleben, das einmal zu machen.

Du bist ein sehr gläubiger Mensch. Kannst du die Weihnacht bei 35 Grad im Schatten spüren?
Köppel:
 Sicher ist dieses Familiäre, das Gefühl der Gemeinschaft in der kalten Jahreszeit, etwas Besonderes. Da rücken die Menschen ein Stück enger zusammen. Bei mir wird das diesmal anders sein, aber ein Wermutstropfen ist das nicht. Der christliche Ursprung der Weihnacht ist ja die Geburt Jesu und in Bethlehem war’s seinerzeit auch nicht so kalt. Aber: Auch wenn der Weihnachtsbaum eher eine Sache unserer gewohnten Kultur ist, nehmen wir ein kleines Bäumchen mit.

Wie definierst du Glaube?
Köppel:
 Ich orientiere mich an der Bibel, lese in ihr. Für mich ist der Glaube zu Gott verbunden mit Zeit fürs Gebet und damit, mich im Gottesdienst auf Gott und Christus konzentrieren zu können. Der Glaube ist die Grundlage meines Lebens, ein Fundament für alle Bereiche des Lebens.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Institution Kirche?
Köppel:
 Kirche ist sicher ein schwieriges Thema, aufgrund der vielen negativen Vorfälle in den letzten Jahrhunderten. Deswegen verstehe ich Jeden, der skeptisch ist. Ich selbst gehe gerne in die Kirche. Ich sehe darin eine Gemeinde, in der ich mich wohlfühle, weil ich in den Menschen auch Gott erlebe. Außerdem vermittelt eine Kirche noch einmal eine ganz andere Atmosphäre für den Moment, in dem man sich an Gott wendet. Aber seinen Glauben kann man selbstverständlich überall ausleben.

Christliche Werte und Fußball-Geschäft. Ist da überhaupt Platz für Nächstenliebe?
Köppel:
 Der Fußball ist ein sehr hartes Geschäft. Er ist zwar ein Teamsport, aber letztendlich geht es um die Jobs eines jeden Einzelnen. Nur in der Stammelf bleibst du im Geschäft. Beim FC 05 versucht Trainer Tobias Strobl, uns zu vermitteln, dass wir im persönlichen Kampf um Stammplätze die Schnittstelle finden sollen, mit den Mitmenschen gemeinsam erfolgreich zu sein. Ich sage mal so: Jeder Mensch hat ja die Möglichkeit, sich als überzeugter Christ aus diesem Geschäft herauszuhalten. Oder aber er nimmt erst recht daran teil, um ein Ausrufezeichen zu setzen. Trotz des harten Geschäfts kann man Nächstenliebe praktizieren. Mein Ziel ist es, ein Licht zu sein. Sport verbindet Menschen verschiedenster Herkunft und ist eine super Plattform für Toleranz und Nächstenliebe.

Deine innige Freundschaft mit Mohamad Awata ist ein gutes Beispiel.
Köppel:
 Mo kommt aus einer ganz anderen Welt, für ihn war es enorm schwer, unsere Kultur zu verstehen. Es war sehr schön, zu erleben, wie uns der Sport zusammengeführt hat und wie er ihm eine Möglichkeit gegeben hat, sich hier zu sozialisieren. Er konnte kein Deutsch, kein Englisch – und ohne Sprache tut man sich schwer. Es war der Fußballsport, der es ohne Sprache ermöglicht hat, dass Mo Kontakte knüpfen konnte und inzwischen fest in der deutschen Kultur steht.

 

“Es ist nicht entscheidend, wie viel man verdient, sondern was man mit dem Geld macht.”
Christian Köppel über mögliches soziales Engagement hochbezahlter Profifußballer
Ihr helft euch gegenseitig?
Köppel:
 Natürlich. Ich versuche, ihm die Sprache beizubringen. Auch die Lebensgewohnheiten. Aber ich habe auch von ihm lernen können, vor allem von seiner Lebenseinstellung. Er hat mit das Schlimmste erlebt, was man erleben kann, und hat sich entschieden, sein Leben positiv zu gestalten und dankbar zu sein für alles, was er noch bekommen kann. Das ist bewundernswert.

Mohamad Awata ist gläubiger Moslem. War das für die Freundschaft jemals von Belang?
Köppel:
 Wir waren ja schon in München befreundet. Aber erst hier in Schweinfurt leben wir durch die Wohngemeinschaft intensiv miteinander. Da stehen die Glaubensansätze schon mal auf dem Prüfstein. In unserer Gesellschaft ist das häufig Anlass für Streit, auch, weil Glaube oft als Machtinstrument benutzt wird. Religion ist nicht selten Anlass für Krieg. Deswegen freue ich mich umso mehr, wie unsere Freundschaft gewachsen ist. Mo lebt das Prinzip der Nächstenliebe genauso wie ich. Keiner von uns versucht, dem anderen weiszumachen, dass seine Religion die richtige sei. Wir haben beide unseren Draht zu Gott gefunden und leben nach dem Prinzip, dass man jedem Menschen mit Würde und Respekt begegnen sollte. Aber wir tauschen uns auch aus, er fragt mich, was zu einem bestimmten Thema in der Bibel steht, wo es Parallelen gibt, wo Unterschiede. Und ich mache das genauso.

In unserer digitalisierten Welt bleibt das Aufeinanderzugehen bisweilen auf der Strecke. In sozialen Medien wird polarisiert. Die Gesellschaft tendiert zu schwarz-weiß.
Köppel:
 Es wird mehr über Toleranz geredet, als diese wirklich gelebt wird. Es wird viel getan, aber in der Praxis kommt mir das zu schwach an.

Konkret im Fußball: Homosexualität ist nach wie vor Tabuthema, Rassismus ein Ärgernis.
Köppel:
 Es gibt ja Kampagnen, diesen Themen zu begegnen. Aber klar, Homosexualität ist unverändert ein Gebiet des Schweigens. Beim Rassismus kommen wir etwas besser voran, weil dieser deutlicher erkennbar ist. Wenn ein dunkelhäutiger Spieler beleidigt wird, geht man dagegen entschlossen vor. Als Fußballer kannst du innerhalb der Mannschaft ein Vorbild sein, wenn du offen mit allem umgehst, dich als Werbemittel für Toleranz zur Verfügung stellst. Auch wenn es in meinem Fall nur die Regionalliga ist, wir haben als Fußballer eine größere Reichweite. Die müssen wir aktiv nutzen.

Ihr wart mit dem FC 05 in sozialen Projekten aktiv, beispielsweise bei der Kindertafel.
Köppel:
 Das war sehr interessant. Ich war in der Gruppe, die Pausenbrote vorbereitet hat. Der Kontakt mit den ehrenamtlichen Helfern war beeindruckend. Die haben ein Herzensanliegen und opfern Zeit. Man wird sich bewusst, wie gut es uns geht. Wir müssen uns keine Sorgen um Essen machen. Aber wir können Menschen, die es schwer im Leben haben, unterstützen.

Profi-Fußballern geht es ja tatsächlich nicht so schlecht.
Köppel:
 Der Fußball ist leider wie er ist, weil Vereine Wirtschaftsunternehmen sind. Da liegt die Kunst des einzelnen Fußballers, aber auch der Klubs, darin, sich sozial einzubringen. Es ist nicht entscheidend, wie viel man verdient, sondern was man mit dem Geld macht. Aber: Der persönliche Erfolg und der wirtschaftliche Erfolg stehen leider im Vordergrund. Wir Spieler können uns glücklich schätzen. Ob das fair gegenüber anderen Sportarten ist? Ich glaube nicht. Ein Triathlet oder Skilangläufer arbeitet mehr als wir, für weniger Ertrag.

Das Geld hat auch eine Schattenseite. Der Druck wächst mit.
Köppel:
 Nicht umsonst gibt es Experten, die diese extrem hohen Gehälter im Profifußball damit rechtfertigen, dass Fußballer auch viel extremer in der Öffentlichkeit stehen. Da ist etwas dran, der Druck ist da. Ich bin froh, dass ich hier wieder den Bogen zum Glauben spannen kann. Der Glaube hilft mir, den Druck nicht unter den Tisch zu kehren, sondern mich offensiv mit ihm auseinanderzusetzen. Jeder versucht anders mit Druck umzugehen, ihm ein Ventil zu geben. Doch es kann auch zu viel werden, bis die Bombe platzt. Was auch nach der Karriere noch passieren kann, wenn man nicht mehr unter dieser Blase Fußball lebt.

Nach dem Fußball – hast du schon Pläne?
Köppel:
 Nein, einen festen Plan für den Tag x habe ich nicht, das Leben soll von Spontanität begleitet sein. Aber ich sehe meine Berufung im Sport, studiere nebenher im fünften Semester Sport-Management. Und ich mache meine Trainerscheine, als Nächstes steht die Elite-Lizenz an.

Profifußball, Studium und Trainerausbildung. Spricht für ein gutes Zeitmanagement.
Köppel:
 Ja, Organisation und Struktur ist wichtig für mich. Die Trainerscheine sind recht human, aber das Studium, gerade weil es ein Fernstudium ist, erfordert schon Organisationsgeschick.

Gehört zur Lebensplanung auch ein Kind? Wenn ja, würdest Du es reines Gewissens in den Profifußball gehen lassen?
Köppel:
 Gute Frage. Ich habe ja mit Fünf angefangen mit dem Fußball. Es gab viele schöne Erlebnisse, aber auch lange Leidenszeiten. Ich würde dem Kind mit auf den Weg geben, wie viele Schattenseiten und Mühen dazu gehören. Ich selbst habe aus diesen Phasen viel gelernt, die größten Schritte macht man genau da. Ich würde es genauso wieder machen, aber mein Kind könnte seinen eigenen Weg gehen.

Wie sieht du generell die Zukunft für Kinder?
Köppel:
 Ich bin kein Schwarzmaler. Wir sind hier in Deutschland auf einem Wohlfahrtsweg, auf dem es den meisten Menschen relativ gut geht. Aber natürlich sind Themenfelder wie Klimawandel oder internationale Konflikte problematisch. Ich fürchte, es wird nie möglich sein, dass fast acht Milliarden Menschen friedlich miteinander leben. Die Menschheit muss sich aber zusammenraufen, um nach Lösungen zu suchen.

Wenn du zu Weihnachten den Wunsch frei hättest, die Welt nach deinen Vorstellungen zu formen – wie würde diese aussehen?
Köppel:
 Zum Glück bin ich nicht der Schöpfer, aber meine Hoffnung liegt auf einem erfüllten Leben in der Ewigkeit, nach dem Tod. Ich hoffe, dass der Mensch nach dem irdischen Leben Herrlichkeit erfahren darf. Dürfte ich mir etwas wünschen, wäre es genau diese Vorstellung bereits auf der Erde.

© Michael Bauer
© Foto: Michael Bauer
Quelle: Volkszeitung Schweinfurt

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